Im Gespräch mit Nils Buschmann – Dschungel in der Großstadt
Nils Buschmann von ROBERTNEUN™ Architekten über die Bauten seines Büros für das
Quartier Heidestrasse.
ROBERTNEUN™ Architekten ist ein junges Berliner Architekturbüro, das u. a. für seine Wohnbebauung Am Lokdepot in Berlin-Schöneberg (2016) mehrfach ausgezeichnet worden ist. Für das Quartier Heidestrasse haben die Architekten die Gebäude QH Core und QH Straight entworfen.
Herr Buschmann, wie gelingt Ihrer Ansicht nach ein neues Stadtquartier, worauf kommt es in der städtebaulichen Konzeption an?
Die gesamte Europacity basiert auf einem Masterplan, der schon länger zurückliegt. Der Teil des Quartier Heidestrasse wurde jedoch vor Kurzem aktualisiert, verdichtet und deutlicher gemischt. Im Quartier Heidestrasse werden alle Erdgeschosse öffentlichkeitswirksam belegt, die Stadträume sind gut differenziert und die Architektur muss nicht die Lebendigkeit herstellen, sondern ist Hintergrund für das urbane Leben. Ein Quartier ist keine Bauausstellung. Uns interessiert die Stadt als individualisierte Großform, ein heterogenes Gebilde aus erkennbaren, erlebbaren Teilen, also nicht das Nebeneinander disparater Gebäude, die sich selbst feiern, sondern ein Kontext, ein Ensemble verschiedener Bauten.
Worin besteht dieser Kontext im Quartier Heidestrasse?
In allen Baufeldern gibt es hier einen klaren Zusammenhang. Die großformatigen liegenden Fensterformate zum Beispiel. Es sind sehr strukturelle Bauten. Bei allen Häusern gibt es einen urbanen Sockel mit Läden und Ateliers, die Fassaden sind mineralisch, sie bestehen in erster Linie aus Beton und Ziegeln. So etwas ist im ersten Schritt viel wichtiger als Unterschiedlichkeit. Die entsteht am Ende von selbst, wenn verschiedene Planer beteiligt sind. Jeder hat hier seine eigenen Themen und konzeptionellen Eigenheiten.
Was waren Ihre Themen bei den beiden Gebäuden, die Sie beigetragen haben?
QH Core ist die kommunikative Mitte des Quartiers, mit Läden und Gastronomie. Das Haus sollte nach unserer Vorstellung eine öffentliche Materialität haben, ähnlich wie Schulen
oder Rathäuser. Darum haben wir uns für die dunkelrote Backsteinfassade entschieden.
Sie nimmt zugleich Bezüge zu den Fassaden des Kornversuchsspeichers und zum Abspannwerk Scharnhorst am Nordhafen auf, und sie erinnert auch an die Vergangenheit des Standorts
als Bahngelände.
Mit dem zweiten Bau, QH Straight, haben Sie sich dann gewissermaßen in die Stadtmasse einsortiert. Was war hier die Entwurfsidee?
QH Straight ist der mittlere von drei Wohnblöcken zwischen Heidestraße und dem lang gestreckten Büroriegel. Es ist ein raues, robustes Gebäude mit vorgehängter Betonfassade.
Uns schwebte die Art von urbanen Apartmenthäusern vor, die man in Mailand oder in südamerikanischen Großstädten findet: Die Verbindung von Stadt und verdichtetem innenliegendem Wohnhof ist hier ganz entscheidend.
Sie sprechen bei dem von Ihnen konzipierten Innenhof von einem Dschungel. Erklären Sie das einmal.
Es ist ein sehr verdichteter Grünraum, üppig bewachsen, ein Ruheraum. Das Haus wird über vier großzügige Lobbys erschlossen, von denen aus man den Dschungel sehen kann. Zu den kleineren der Wohnungen gelangt man über Laubengänge entlang dieses Dschungels auf der Hofseite. So sind Innen und Außen verwoben.
Grundrisse müssen 100 Jahre
lang funktionieren.
Wie wohnt man in QH Straight, was für Grundrisse haben Sie hier entworfen?
Wir entwerfen gerne Häuser mit Strukturen, die aneignungsfähig und veränderbar sind.
Es gibt in QH Straight keine funktionalistischen Grundrisse, jeder Raum ist unterschiedlich nutzbar. Man kann wählen, in welchem der Räume man schlafen, essen oder wohnen möchte.
Denn auch das ist mit Nachhaltigkeit gemeint: Grundrisse zu entwickeln, die 100 Jahre
lang funktionieren.
Was ist Ihr letzter Eindruck vom nunmehr entstehenden Quartier Heidestrasse? Sie sind ja immer mal wieder vor Ort.
Man spürt jetzt schon eine großstädtische räumliche Dichte, das gefällt uns. Es entstehen vielfältige Stadträume mit unterschiedlichen Qualitäten und räumlichen Angeboten, die Heidestraße als Boulevard und Durchgangsort, die parallel dazu laufende Kiezstraße mit
ihren kleinteiligen Ateliertypologien und die verschieden großen Plätze können ein urbanes Geflecht ergeben.